Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung

von ANMIC

3. Dezember 2023

Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen müssen gehört, nach außen getragen und bekämpft werde

Der 3. Dezember ist internationalen Tag der Menschen mit Behinderung. Überall auf der Welt finden gerade verschiedenste Aktionen statt – und alle mit demselben Ziel: Die gesellschaftliche Teilhabe dieser Menschen zu erhöhen. Auch hier in Südtirol wird der heutige Tag dazu genutzt, die über 46.000 Zivilinvaliden und Menschen mit Behinderung in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu stellen. Als größte Interessensvertretung der Südtiroler Menschen mit Behinderung appelliert die Vereinigung der Zivilinvaliden (ANMIC Südtirol), diese Menschen verstärkt in den sozialen und beruflichen Alltag zu integrieren.

Indem die Bevölkerung auf die Probleme und Benachteiligungen der Menschen mit Behinderung aufmerksam gemacht wird, soll ihre Lage verbessert werden. Dieser Grundgedanke war es, welcher die Vereinten Nationen am 3. Dezember 1993 dazu veranlasste, den „internationalen Tag der Menschen mit Behinderung“ ins Leben zu rufen. Heute, 28 Jahre später, wird dieses Leitmotiv global umgesetzt: Weltweit setzen sich Kampagnen und Organisationen für die Rechte und die soziale Inklusion von jenen Menschen ein, die mit unterschiedlichsten Beeinträchtigungen und den damit verbundenen alltäglichen Problemen leben müssen.

„Auch hier in Südtirol möchten wir diesem Ansatz folgen“, erklärt Thomas Aichner, Präsident der ANMIC Südtirol. „Indem wir auf die Probleme der Südtiroler Zivilinvaliden und Menschen mit Behinderung aufmerksam machen, darüber berichten und Lösungsansätze vorbringen, tragen wir aktiv zur sozialen und beruflichen Inklusion dieser Menschen bei.“ Die größte Südtiroler Interessensvertretung für Menschen mit Behinderung weiß, dass viele problembringende Vorurteile bereits mit falschen Assoziationen beginnen. „Der Begriff „Zivilinvalide“ wird fälschlicherweise häufig mit einer schwerkranken Person in Verbindung gebracht. Deshalb gehen andere Menschen und Unternehmen davon aus, dass Zivilinvaliden eine Belastung sind. Das stimmt allerdings nicht.“

Ob Asthma, chronische Migräne, Bronchitis, motorische Einschränkungen, Depression oder Diabetes: Die Zivilinvalidität hat tausende Gesichter, deren Schweregrad von einer Ärztekommission zwischen 34 und 100 Prozent bewertet wird. Dass diese nicht zwingend mit einer Schwerstbehinderung einhergehen muss, ist vielen Menschen nicht bekannt. „In den meisten Fällen können Zivilinvaliden genauso gut arbeiten und am sozialen Leben teilhaben, wie Personen ohne Beeinträchtigung“, erklärt Thomas Aichner weiter. „Allein dieser Irrtum führt dazu, dass arbeitssuchende Zivilinvaliden schwerer eine Anstellung finden. Manche Betroffene lassen sich deshalb nicht als Zivilinvalide anerkennen und können die angebotenen Hilfeleistungen nicht beanspruchen. Außerdem glauben viele Unternehmen zu Unrecht, dass Zivilinvaliden keine gewinnbringende Arbeit leisten könnten, nicht belastbar oder ständig krank sind. Die Praxis und Forschung zeigt, dass oft sogar das Gegenteil der Fall ist, also dass Menschen mit Behinderung weniger oft krankheitsbedingt fehlen und loyalere Arbeitnehmer sind. Trotzdem schrecken zahlreiche Betriebe vor einer Einstellung zurück. Dies hat unter anderem zur Folge, dass die Arbeitslosenquote von Zivilinvaliden in Südtirol mehr als drei Mal so hoch ist wie bei Menschen ohne Behinderung.“ Durch Sensibilisierungskampagnen, Vorträgen, Informationstagen und medialer Aufklärungsarbeit steuern Südtirols Vereinigungen dieser Problematik seit Jahren aktiv entgegen.

Obwohl Südtirol die Europäischen Richtlinien befolgt hat und mit dem Landesgesetz vom 14. Juli 2015 die Nichtdiskriminierung, die Chancengleichheit sowie die gesellschaftliche Inklusion und volle Teilhabe dieser Menschen gewährleistet, sieht die Realität oft anders aus. Viele Zivilinvaliden und Menschen mit Behinderung werden im sozialen und beruflichen Alltag noch immer bewusst oder unbewusst diskriminiert oder ungleich behandelt. „Deshalb möchten wir diesen Tag auch dazu nutzen, ein Appell an alle Betroffene und Familienangehörige zu richten,“ fordert Thomas Aichner auf. „Es gibt in Südtirol viele verschiedene Anlaufstellen und Institutionen, die in schwierigen Situationen helfen können. Bitte suchen Sie diese auf und lassen Sie sich unterstützen und beraten: Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen müssen gehört, nach außen getragen und schließlich bekämpft werden. Gleichzeitig müssen Betroffene mehr über ihre Rechte erfahren, damit wichtige Leistungen wie die Zivilinvalidenrente oder die Arbeitsfreistellung laut Gesetz 104/92 beansprucht werden können.“

Besonders beim Thema Zivilinvalidität kann niemand vorhersagen, welchen Lauf die angeborene oder erworbene Krankheit nehmen wird. Im Hinblick auf die Arbeitswelt ist es deshalb grundlegend, das Erlernen spezifischer Kompetenzen für alle Altersklassen zu gewährleisten, wie Thomas Aichner weiß: „Viele Südtiroler Zivilinvaliden und Menschen mit Behinderung haben aufgrund ihrer Krankheit große Schwierigkeiten, ihren alten Beruf bis zum Pensionsalter von 67 Jahren auszuüben. Da eine Krankheit oft unerwartet auftreten kann, sind Kurse und Umschulungen für alle Altersklassen wichtig. Es geht darum, die richtige Arbeit mit den richtigen Aufgaben zu finden und das soziale Umfeld zu sensibilisieren, damit jeder Mensch ein vollwertiges und integriertes Mitglied unserer Gesellschaft bleiben kann.“ Deshalb veranstaltet die ANMIC Südtirol regelmäßig Weiterbildungskurse zu verschiedenen Themenbereichen, welche vom Europäischen Sozialfonds (ESF) und der Autonomen Provinz Bozen finanziert werden: In allen bisher durchgeführten Kursen konnten fast alle Teilnehmer in die Arbeitswelt (re)integriert werden.

Der Appell nach mehr sozialer und beruflicher Inklusion ist es, der anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderung besonders laut gehört werden soll. Deshalb sollten sich an diesem Tag alle von uns die Zeit nehmen, sich kritisch mit der eigenen Wahrnehmung auseinanderzusetzen und zu überlegen, welche Alltagshandlungen und Ansichtsweisen zur gesellschaftlichen Teilhabe dieser Menschen beitragen. Denn wie ein weises Sprichwort lehrt: Jeder Wandel beginnt im Kopf!

 

Bild: CC0 1.0 Universal, www.unsplash.com

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