von ANMIC
30. Oktober 2023Über Hürden, neue Perspektiven und Erfolgsgeschichten
Neues Jahr, neuer Job, neues Glück: Im Jänner 2023 beschlossen 9 nicht-beschäftigte Frauen, ihren alten Beruf aufzugeben und einen mehrmonatigen Verwaltungskurs zu absolvieren, um den Schritt in ein neues Berufsfeld zu wagen. Heute, mehr als 8 Monate später und kurz nach Kursende, blicken sie mit Freude und Stolz zurück. Besonders aber sehen sie hoffnungsvoll in eine berufliche Zukunft, welche nun neue Wege und zahlreiche Möglichkeiten bereithält. Die Vereinigung der Zivilinvaliden (ANMIC Südtirol) berichtet als Veranstalter des Weiterbildungskurses über die weibliche Arbeitslosenquote, gezielte Lösungsstrategien und mutmachende Erfolgsgeschichten.
Es kommt ständig vor, dass Menschen eine neue Arbeit finden müssen, weil davon das Wohlergehen ihrer Familie abhängt, weil ihnen aufgrund einer Krankheit keine andere Chance bleibt oder weil sie sich schlicht nach einem neuen Leben sehnen. Damit die Veränderung funktioniert, ist es entscheidend, dass sie fachlich in der Lage sind, die neuen Herausforderungen anzunehmen. „Wir begleiten Arbeitssuchende auf diesem Weg und unterstützen sie von Anfang an bis zum erfolgreichen Berufseinstieg. Nach vielen Monaten intensiver Arbeit gibt es kein schöneres Ergebnis, als mitzuerleben, wie aus Wünschen Realität wird“, erklärt Thomas Aichner, Kursleiter und Präsident der ANMIC Südtirol. „Wir organisieren regelmäßig kostenlose Weiterbildungskurse zu verschiedenen Themenbereichen, welche in zahlreichen Berufen Anwendung finden. Hierfür möchte ich dem Europäischen Sozialfonds und der Autonomen Provinz Bozen danken, denn ohne öffentliche Förderungen wäre die Realisierung solcher Projekte nicht möglich.“
Im September 2023 endete der Weiterbildungskurs „Frauen in der Verwaltung: Fit im Front- und Backoffice“ – und offenbart sich schon jetzt als großer Erfolg. Neun nicht-beschäftigte Frauen lernten in 7 Modulen umfassende und bereichsübergreifende Kompetenzen aus dem Verwaltungs- Computer- und Buchhaltungsbereich. Neben einem theoretischen Teil in Form von Online-Unterricht umfasste der Kurs auch ein mehrmonatiges Praktikum, mit dem Ziel einer festen und bleibenden Anstellung. „Als wir nach und nach erfuhren, dass immer mehr der Teilnehmerinnen eine feste Anstellung erhielten, war die Freude im Team groß“, berichtet Verena Bonatta, ESF-Projektverantwortliche. „Auch freute uns das durchaus positive Feedback seitens der Unternehmen, welche besonders die hohe Motivation der Teilnehmerinnen und die vielen erlernten Kompetenzen anerkannten. Die Teilnehmerinnen ihrerseits schätzten die Möglichkeit der Online-Weiterbildung, welche zeitliche und geographische Barrieren reduzierte. Auf diese Weise konnten auch Mütter sowie Frauen aus verschiedensten Teilen Südtirols am Kurs teilnehmen.“
Wieso das Weiterbildungsangebot für Frauen aller Altersklassen wichtig ist, wird besonders angesichts der Schwierigkeit deutlich, Familie und Beruf zu vereinbaren: Denn aufgrund von gesellschaftlichen Stereotypen bleibt die Kindererziehung sowie die Pflege Angehöriger vorwiegend „Frauensache“. Möchten Frauen dann wieder in die Erwerbstätigkeit zurückkehren, so bedarf es an flexiblen, fortschreitenden und leistbaren Betreuungsmöglichkeiten. Fehlen diese, so muss die berufliche Auszeit verlängert werden – manchmal auch um mehrere Jahre. Die Folge: Der Arbeitsmarkt und die geforderten Kompetenzen haben sich inzwischen geändert und der Schritt zurück ins Arbeitsleben wird immer schwieriger. Dies spiegelt sich auch in der steigenden Langzeitarbeitslosigkeit von 12 oder mehr Monaten wider, welche sich in Südtirol seit 2019 beinahe verdoppelt hat.
Auch Michaela blieb als 3-fache Mutter mehrere Jahre lang von der Arbeit fern. Für sie war der Verwaltungskurs die Chance, fachliche Kompetenzen zu erwerben und praktische Erfahrung zu sammeln. „Ich wurde im Radio auf den Kurs aufmerksam und habe mich daraufhin angemeldet. Da der Kurs Online stattfand, war es auch für mich als Mutter kleiner Kinder möglich, daran teilzunehmen. Ich bin über die Teilnahme sehr froh, habe viel neues Wissen erlernt und dadurch den Wiedereinstieg ins Berufsleben erfolgreich gemeistert“, berichtet die 28-Jährige, die direkt nach Kursende eine Anstellung im Verwaltungsbereich erhielt.
Die Notwendigkeit einer beruflichen Weiterbildung liegt jedoch einer Vielzahl weiterer Ursachen zu Grunde, wie Thomas Aichner weiß: „Besonders bei jüngeren Frauen und Müttern führen bestimmte Arbeitsbedingungen dazu, dass sie einen Beruf mit beispielsweise familienfreundlicheren Arbeitszeiten ausüben müssen. In anderen Fällen, vor allem bei Frauen mittleren Alters oder bei Erwerbstätigen kurz vor der Pensionierung, kann eine eintretende Krankheit Grund für das Suchen neuer Alternativen sein, da die aktuelle Arbeit gesundheitlich nicht mehr zu schaffen ist. Fehlen allerdings die notwendigen Kompetenzen für den ersehnten Berufswechsel, so braucht es Weiterbildungsangebote und gezielten Umschulungen.“
Den Schritt in Richtung Neustart hat auch die 40-jährige Carolin gewagt. „Leider ist es ab einem bestimmten Alter nicht mehr so einfach, eine Umschulung zu machen“, erzählt die Vinschgerin. „Deshalb bin ich sehr dankbar, dass ich bei diesem Kurs dabei sein durfte. Da meine Schulzeit schon einige Jahre zurückliegt, musste ich wieder lernen, wie man lernt. Es war nicht immer einfach aber mit so tollen Kurs-Kolleginnen, Dozenten und deren Hilfsbereitschaft machte es richtig Spaß!“ Heute ist Carolin bei der Bezirksgemeinschaft Vinschgau als Verwaltungsmitarbeiterin tätig. „Meinen alten Beruf zu kündigen und den Kurs zu besuchen war die richtige Entscheidung, denn jetzt bin ich froh und dankbar, in diesem Bereich zu arbeiten.“
Doch auch der demografische Wandel unterstreicht die Notwendigkeit, weibliche Arbeitskräfte verstärkt und langfristig in den Arbeitsmarkt einzubinden: Laut statistischer Prognosen wird es in den kommenden 10 Jahren nämlich zu einem Rückgang von rund 30.000 Arbeitskräften kommen, weshalb die Mobilisierung aller Arbeitskräfte großgeschrieben werden muss. Dass Weiterbildung zum Erfolg beiträgt, bestätigt auch die Geschichte der 43-jährigen Nataliya. „Ich bin Mutter zweier Kinder und bin mit 20 Jahren nach Südtirol gekommen“, erzählt die gebürtige Ukrainerin. „Die Entscheidung, einen neuen Weg einzuschlagen und mich weiterzubilden, war nicht einfach. Ängste und Zweifel, es vielleicht nicht zu schaffen, mussten erst überwunden werden.“ Heute arbeitet Nataliya in der Buchhaltungsabteilung eines Bozner Unternehmens und weiß, dass sich alle Mühen gelohnt haben: „Ich habe eine großartige Arbeitsstelle und genieße es, jeden Tag zur Arbeit zu gehen!“
Erfolgsgeschichten wie diese – da sind sich alle 9 Kursteilnehmerinnen einig – wären ohne den Einsatz und die Professionalität der Kursdozenten nicht möglich gewesen. Dies bestätigt auch die 33-jährige Marion aus Schlanders, welche heute und dank des Kurses ebenfalls im Verwaltungsbereich arbeitet: „Ein großer Dank gilt den Dozenten, welche mit viel Engagement und Motivation ihr Wissen weitergegeben haben. Es wurde auf jede einzelne von uns eingegangen, sodass wir gerne und aktiv am Unterricht teilnahmen“. Bei Nataliya dagegen konnte die Leidenschaft zur Buchhaltung geweckt werden, wie sie selbst erzählt: „Ich hatte bereits in der Vergangenheit einen Buchhaltungskurs in italienischer Sprache absolviert. Bei diesem Kurs hat es der Dozent aber geschafft, mein Interesse für die Buchhaltung zu wecken und mein Potenzial zu erkennen. Jetzt träume ich sogar davon, ein Diplom zu erlangen.“
Nach 8 Monaten blickt auch die ANMIC Südtirol mit Freude auf den Kurserfolg zurück: „Wir werden auch weiterhin Menschen durch unsere Kurse weiterbilden und unser Bestmögliches geben, auch ihren Wunsch einer erfolgreichen Arbeitseingliederung zu erfüllen. Das gilt vor allem für Zivilinvaliden, die genauso wie gesunde Frauen und Männer motivierte und effiziente Mitarbeiter sein können, wenn Sie mit den richtigen Kenntnissen an der richtigen Stelle im Unternehmen eingesetzt werden“, berichtet Thomas Aichner abschließend.
Bild: © Autonome Provinz Bozen – Südtirol