von ANMIC
11. Oktober 2018Kritik an Sozialmanifest
In einem „Sozialmanifest“ haben die Gewerkschaften AGB/CGIL, SGB/CISL, UIL/SGK, der KVW, der ACLI und der Dachverband für Soziales und Gesundheit (DSG) am 05.10.2018 Vorschläge für die teilweise Überarbeitung der Sozialleistungen der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol vorgestellt. Die Vereinigung der Zivilinvaliden (ANMIC Südtirol) nimmt hiermit Stellung zum veröffentlichten Dokument und den darin enthaltenen Punkten, welche die mehr als 45.000 Südtiroler Zivilinvaliden betreffen.
Im kürzlich von AGB, SGB, UIL, KVW, ACLI und DSG vorgestellten „Sozialmanifest“ wird Arbeit für alle Menschen mit einer Behinderung gefordert. Dabei wird ausschließlich von Teilinvaliden gesprochen, also von Menschen mit einer anerkannten Zivilinvalidität von maximal 99%. Sowohl gesetzlich als auch praktisch und moralisch steht das Recht auf Arbeit allerdings auch Vollinvaliden mit einer Invalidität von 100% zu; selbst dann noch, wenn sie die Begleitzulage beziehen, die Anerkennung des Gesetzes 104/92 bescheinigt ist oder sie das Pflegegeld beziehen. Nur in Ausnahmefällen, wenn das Ärztekollegium feststellt, dass derzeit keine Arbeitsfähigkeit besteht, darf der Betroffene keiner Arbeit nachgehen. „Es darf kein falsches Signal gesendet werden, weder an die Politik, noch an die Südtiroler Unternehmen und schon gar nicht an die betroffenen Menschen. Ein hoher Prozentsatz bedeutet zwar, dass die persönliche Lebenssituation schwierig ist und die Integration der Betroffenen eine Herausforderung sein kann, aber wer arbeiten möchte, muss dieses Recht unabhängig vom Invaliditätsgrad bekommen und aktiv dabei unterstützt werden“, so Thomas Aichner, Präsident der ANMIC Südtirol.
Im weiteren Verlauf des Manifests gehen die Initiatoren in einem eigenen Kapitel explizit auf Zivilinvaliden ein und stellen fest, dass es bei den Sozialleistungen für Zivilinvaliden keinen Handlungsbedarf gibt. „Dem widersprechen wir: Zivilinvaliden leiden unter den völlig ungeeigneten Abläufen, insbesondere wenn sie ihren Arbeitsplatz aufgeben müssen, zum Beispiel weil ihr Arbeitsvertrag ausläuft oder sie aus gesundheitlichen Gründen selbst kündigen müssen“, unterstreicht Thomas Aichner. Die aktuelle Regelung sieht nämlich vor, dass Zivilinvaliden, die ihren Arbeitsplatz verlieren und im Folgejahr wieder Anspruch auf eine Zivilinvalidenrente haben, diese erst ab Juni tatsächlich erhalten. Damit wird die Zivilinvalidenrente die ersten fünf Monate des Jahres nicht ausgezahlt und geht verloren. Der Grund dafür ist, dass die Agentur für soziale und wirtschaftliche Entwicklung (ASWE) eingegangene Anträge immer erst ab Juni auszahlt, egal wann die Anträge eingegangen sind. „Selbst auf nationaler Ebene ist das besser geregelt. Im restlichen Italien warten Zivilinvaliden maximal drei Monate“, so Thomas Aichner. Eine Lösung könnte sein, dass Anträge laufend bearbeitet werden und die Rente im Folgemonat erstmalig ausgezahlt wird, damit Zivilinvaliden im besten Fall nur einen Monat ohne finanzielle Unterstützung überbrücken müssen. Die ANMIC Südtirol fordert außerdem, dass die Zivilinvalidenrente bei berechtigtem Anspruch rückwirkend ab Januar ausgezahlt wird.
„Der Gesetzgeber muss außerdem auch beim Thema Abfertigung aktiv werden. Wenn sich ein Zivilinvalide mit einer Teilzeitbeschäftigung 400 Euro monatlich zu seiner niedrigen Zivilinvalidenrente dazuverdient und nach Jahren die Abfertigung ausgezahlt bekommt, kann er seine Zivilinvalidenrente für ein ganzes Jahr verlieren“, warnt Thomas Aichner. Die Abfertigung zählt nämlich zum Einkommen und kann dazu führen, dass das maximal zulässige Bruttoeinkommen von 9.706,58 Euro bei Teilinvaliden bzw. von 16.664,36 Euro bei Vollinvaliden im Jahr der Abfertigungsauszahlung überschritten wird. Ist das der Fall, wird die Zivilinvalidenrente komplett gestrichen und erst ein Jahr später auf Antrag wieder bezahlt. Als Lösung schlägt die ANMIC Südtirol vor, die Abfertigung bei Teil- und Vollinvaliden nicht in die Berechnung des Einkommens einfließen zu lassen.
Bild: © ANMIC Südtirol